Am kommenden Sonntag wird Tobias Schäfer als neuer Dekan eingeführt – Kirche soll ein freundliches und positives Profil zeigen
"Ich muss wissen, wer ich bin und woher ich komme", beschreibt Tobias Schäfer sein Heimatgefühl, "Heimat ist für mich da, wo ich mich wohlfühle". Ab sofort also in Hersbruck, wo der neue Dekan am kommenden Sonntag um 15 Uhr in sein Amt eingeführt wird.
Dass es eine Heimat auf Zeit sein wird, stört den 44-Jährigen nicht. "Ich weiß über meine Biografie, dass man sich nie an etwas klammern darf, weil man sich von allem, was einem lieb geworden ist, einmal trennen muss." Er sei dankbar für alles, was er hat und für die Zeit an den verschiedenen Orten.
Sucht man diese auf der Landkarte, wird man sie vor allem in Franken und der Oberpfalz finden – bis auf einen Ausreißer: Oslo. "Damals musste ich einfach raus." Denn 2001 war ein "Breakpunkt" für Schäfer: Er hatte seine Nebenkarriere bei der Irish-Folk-Band "Fiddlers Green" nach rund zehn Jahren an den Nagel gehängt.
"Musik war schon immer meine Leidenschaft", erzählt er. Über ein Orchester und eine private Musikgruppe landete er bei "Fiddlers Green". "Von dem Bühnen-Dasein habe ich viel gelernt." Denn egal ob auf dem Konzert oder in der Kirche, "die Menschen wollen bei einer Veranstaltung mitgenommen werden", zieht er eine Parallele. Der große Unterschied sei, dass man mit der Musik Geld verdienen muss, beim Gottesdienst aber den Glauben feiert.
Reiz der Theologie
2001 musste er sich entscheiden: Musik oder Studium. Der Reiz der theologischen Wissenschaft war stärker. Denn als Sohn eines Pfarrers und einer Religionspädagogin, der im kirchlich geprägten Neuendettelsau aufgewachsen ist, sei er "entsprechend sozialisiert" worden. Um Abstand zum Bühnenleben zu gewinnen, ging er für ein Jahr nach Oslo und Nordnorwegen – ein Land,das er bereits von Reisen und Wanderungen mit den Eltern lieben gelernt hatte.
In der Zeit dort habe er viel über sich – "Ich habe gemerkt, dass Ortspfarrer ein Weg für mich sein kann" – und den deutschen Glauben erfahren. "Das Miteinander der unterschiedlichen Frömmigkeitsbewegungen und die Teamarbeit haben mich geprägt." Trotz tiefer Überzeugungen hätten sich die Menschen respek- und akzeptiert. "Wenn man weiß, was einen verbindet, dann kann man besser mit den Unterschieden leben." Vielfalt zu schätzen und von ihr zu profitieren, das sei für ihn sehr lehrreich gewesen.
Und genau auf diese Buntheit freue er sich im Dekanat: "Ich bin sehr gespannt, weil jedes Dorf hat ja seine Traditionen." Einige Ecken der 30 Kirchengemeinden mit rund 37000 Gemeindegliedern sind Schäfer aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen bereits bekannt. Viel informieren musste er sich also im Vorfeld gar nicht, verrät er.
Imkern als Ausgleich
Begeistert war der Hobby-Gärtner und -Imker sofort vom großen Garten. "Das ist toll, dass man in der Stadt wohnt und so viel Grün um sich hat."Das Imkern sei für ihn ein Ausgleich. Klar müsse man konzentriert arbeiten, aber so sei er nah dran an der Schöpfung und er staune immer wieder über die kleinen Wesen. Das Garteln verleihe ihm eine "gewisse Erdung" und sei zugleich mit Verantwortung verbunden. "Ein Öko-Kämpfer bin ich jetzt nicht, aber ich betrachte schon meinen ökologischen Fußabdruck und will die Schöpfung bewahren." Schäfer fährt daher ein kleines E-Auto.
Mit dem ist er derzeit unterwegs, die Menschen im Dekanat kennenzulernen. "Ich möchte hier erstmalalsPfarrerankommenund für die anderen Kollege sein." Zu einem seiner Schwerpunkte könnte vielleicht die Kirchenmusik werden, die Jugendarbeit sei im Dekanat ja gut aufgestellt. Festlegen will Schäfer sich nicht: "Manche Themen, wie der Landesstellenplan, werden ja auch von der Landeskirche gesetzt." Wichtig sei ihm, dass die "Kirche ein freundliches und positives Profil" zeige.
Wenn man weiß, was einen verbindet, kann man besser mit den Unterschieden leben.
Könne man so die Bedeutung des Glaubens heutzutage wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen bringen? Schäfer überlegt lange. "Den Leuten ist wichtig, dass sie so angenommen werden, wie sie sind, und wir da sind, wenn sie uns brauchen." Kirche sollte daher offen bleiben und jeden einladen – vielleicht über niederschwellige Angebote.
Eine erste Idee für so etwas hätte Schäfer schon: Warum den Gottesdienst zum Altstadtfest nicht auf dem Marktplatz statt in der Spitalkirche abhalten? Man müsse einfach unaufdringlich auf die Leute zugehen – und "das wäre eine Form, den Menschen heutzutage zu begegnen". Denn die Kirche, das seien eben Männer, Frauen und Kinder. "Ich will aber keine Kirche verkaufen", schiebt er lachend ein. Daher wolle er den Kollegen den Raum schaffen, dass sie für die Menschen da sein und die Freude an ihrem Beruf leben können. Der 44-Jährige selbst will das als dritter Ortspfarrer in der Hersbrucker Stadtkirchengemeinde auch tun. "Mein Herz schlägtfürdie Arbeit vor Ort, aber meine Kernaufgabe ist nun, das Gesamte im Blick zu behalten." Eine Umkehrung: Bislang war Schäfer Dorfgeistlicher und stellvertretender Dekan, hat sich landesweit um die Jugendarbeit gekümmert.
Für ihn war die Bewerbung als Dekan der "nächste Entwicklungsschritt". Überhaupt sei sein kirchlicher Werdegang nie von vorne herein angelegt gewesen. Theologie interessierte ihn, also studierte er sie. Auch das Vikariat probierte er halt mal aus. Und nun füge sich alles und mache den Anfang leicht – auch dank der Sprache: "Für mich als Franke ist es nett, den vertrauten Dialekt um mich zu haben."
Rituale bedenken
Nicht nur an diesen Kleinigkeiten merkt man, dass Schäfer im Hier und Jetzt lebt – auch wenn Traditionen eine Rolle spielen. "Meine Herkunft ist ja die Kirche, und da kann man keine schnellen Entscheidungen treffen, weil man erst wissen muss, wo gewisse Gepflogenheiten und Rituale herkommen." Er sei daher kein leichtfertiger oder gar impulsiver Typ. Schäfer beschreibt sich als gewissenhaft, menschenfreundlich, fröhlich und zuversichtlich.
Diese positive Grundeinstellung schwingt auch bei seinem Leitsatz für den Neuanfang in Hersbruck mit: "Du stellst meine Füße auf weiten Raum." Der Psalm beinhalte das Gottvertrauen, dass es genau so sein sollte mit der Stelle.Und der weite Raum, das seien das große Dekanat und die vielen Möglichkeiten, die sich ergeben werden.
Dass die Menschen hier bereit für Veränderungen seien, diesen Eindruck habe er. "Ich bin derjenige, der gerade viele Fragen stellt und vieles in Frage stellt – und das lassen die Leute hier zu."
Zur Person
Geboren und aufgewachsen ist der 44-jährige Tobias Schäfer in Neuendettelsau. Sein Abitur machte er 1994 in Windsbach. Nach dem Theologiestudium in Erlangen, seinem Geburtsort Neuendettelsau und Oslo war Schäfer Vikar in Winkelhaid. Darauf folgten elf Jahre als Pfarrer in Sulzkirchen im Dekanatsbezirk Neumarkt, wo er unter anderem in der Jugendarbeit als Dekanatsjugendpfarrer oder als Gründungsmitglied des Projektes "Bildung Gemeinsam Gestalten" engagiert war. Darüber hinaus sammelte er als stellvertretender Dekan bereits praktische Erfahrungen. Mit Schäfer ziehen seine Frau Tanja und die Kinder Johann (10) und Martha (8) nach Hersbruck.
Copyright (c) 2019 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 12.09.2019