Die Hersbrucker Gedenkfeier am 27. Januar ist geprägt von dem Schicksal des ehemaligen KZ-Häftlings Vittore Bocchetta
HERSBRUCK – Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. An diesem Tag findet in Hersbruck wieder ein ökumenischer Gottesdienst zum Thema „Werde Mensch“ statt (Beginn: 17 Uhr in der Spitalkirche). Ein Schwerpunkt in diesem Jahr ist das Schicksal von Vittore Bocchetta, dem Stifter der Skulptur „Ohne Namen“ im Rosengarten, an der der anschließende Schweigeweg durch Hersbruck endet.
Fast 100 Jahre nach der Geburt von Vittore Bocchetta in Sassari in Sardinien heißt es im Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus „Werde Mensch“. Der ökumenische Gottesdienst ist verantwortet von den christlichen Kirchen in Hersbruck und Umgebung, den evangelisch- lutherischen Kirchen und der römisch-katholischen, den Methodisten und der evangelischfreikirchlichen Gemeinde und der Neuapostolischen Kirche. Der Gottesdienst geht weiter auf der Straße mit dem Schweigeweg mit Kerzen zur Bocchetta-Skulptur „Ohne Namen“ im Rosengarten, wo öffentlich und im Freien der Opfer des Nationalsozialismus und besonders der Häftlinge des KZ Hersbruck gedacht wird. Mitarbeiter des Vereins Dokumentationsstätte KZ Hersbruck organisieren schon seit vielen Jahren diese Gedenkveranstaltung. Sie wollen damit Christen und Nicht-Christen, politisch Verantwortliche und Mitarbeiter in der Verwaltung mit alten und neuen Bürgern zum Gedenken zusammenbringen, sagt Vorsitzender Thomas Wrensch.
Pünktlich zum Gedenktag hat Peter Schön eine 30-seitige Darstellung von Leben und Werk des heute 99-jährigen Vittore Bocchetta vorgelegt, die es direkt beim Verein Dokumentationsstätte KZ Hersbruck, in der Buchhandlung Lösch und am Samstag in der Spitalkirche gibt. Das spiralgebundene Heft kostet 8 Euro. In sechs Kapiteln werden Leben und Werk des bekannten italienischen Künstlers, Weltbürgers und Zeitzeugen des KZ Hersbruck geschildert.
Es geht um Zusammenhänge zum Schöpfer der Skulptur „Ohne Namen“ im Hersbrucker Rosengarten, die in bisher keiner deutschen Schilderungzugänglichsind.
„Ich habe es vor allem unter der Fragestellung gelesen, was der junge Vittore getan hat, um schließlich nach Hersbruck verschlepptzu werden“, sagt Thomas
Wrensch. Nicht nur er selbst habesich wohl schon oft gefragt, wie es eigentlich dazu kam, dass sich junge Menschen wie Bocchetta engagiert haben, für Mitmenschen, für kleine Freiheiten, für eine Verbesserung in ihrer Welt, und was dann dazu führte, dass sie auf verschlungenen Wegen 1944/45 ins KZ nach Hersbruck kamen, so Wrensch. „Eigentlich war Vittore Bocchetta wie viele junge Menschen heute auch. Sie haben genug mit der Organisation ihres eigenen Lebens zu schaffen. Sie haben kein Interesse daran, aufzufallen, mit der staatlichen Gewalt in Konflikt zu geraten. Es ist manchmal eher zufällig, dass sie auf gesellschaftliche Dinge aufmerksam werden und dann selber Stellung beziehen. Vittoreist heute 99, ein Künstler, ein Denker, unverbogen, ein Mensch. Er hat gesagt, er habe Freunde in Hersbruck, hoffe er jedenfalls.“
(c)2018 Verlag Nuernberger Presse, Hersbrucker Zeitung, Ausgabe 25/01/2018
Das Cover des Bocchetta-Buchs von Peter Schön.