Kirchen-Serie – Thomas Lichteneber über die Stadtkirche Hersbruck und ihre Bedeutung.
"Besonders an der Stadtkirche ist, dass sie als Dekanatskirche die größte und wichtigste Kirche im Dekanat Hersbruck ist", erklärt Pfarrer Lichteneber, der mittlerweile Hersbruck verlassen und die zweite Pfarrstelle in Landsberg am Lech innehat (wir berichteten).
"Unsere Kirche ist täglich acht Stunden lang geöffnet, wodurch sie sich von den meisten anderen Kirchen in der Region unterscheidet. Viele Menschen nutzen diese Gelegenheit zum stillen Gebet." Er fügt hinzu, dass die Kirche nicht nur religiös bedeutend sei, sondern auch weltlich ein wichtiges kulturelles Zentrum darstelle. So finden in der Kirche zum Beispiel Konzerte oder andere Veranstaltungen statt, etwa im Rahmen des Internationalen Gitarrenfestivals, das jährlich in Hersbruck veranstaltet wird.
Besondere Kunstgegenstände
"Weitere Besonderheiten sind die tollen Kunstgegenstände, die in der Stadtkirche zu Hause sind", fährt Lichteneber fort. "Der bemerkenswerteste davon ist meiner Meinung nach der Palmesel. Er ist sehr kostbar und wird einmal pro Jahr von einer Restauratorin begutachtet." Das rund 500 Jahre alte Kunstwerk aus Lindenholz wurde 2001 nach der Restaurierung als Leihgabe des Germanischen Nationalmuseums in die Kirche zurückgebracht (wir berichteten). Dort kann der Esel heute besichtigt werden.
Erwähnenswert sei außerdem der Kirchenväteraltar, einer der bedeutendsten spätmittelalterlichen Altäre Frankens. "Er stammt aus dem späten 15. Jahrhundert und wurde vermutlich von einem Künstlerkollektiv aus Bamberg geschnitzt und bemalt", erklärt der Pfarrer.
Menschen in Verantwortung
Auf die Frage, wie man inmitten der aktuellen Krisen wie dem Klimawandel, der Pandemie und der Ukrainekrise nicht den Glauben an Gott verliert, antwortet Lichteneber, dass all diese Krisen ja menschengemacht seien. "Gott ist nicht schuld daran. Er bewahrt uns nicht vor Krisen und Problemen, aber er führt hindurch. Er hat Macht und Verantwortung an die Menschen abgegeben, sodass wir nun selbst in der Verantwortung sind und die Pflicht haben, verantwortungsvoll mit der Schöpfung umzugehen."
Politisches Engagement
Lichteneber zitiert Dietrich Bonhoeffer, einen Theologen, der Teil des Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime war und kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg ermordet wurde: "Wenn ein Verrückter mit seinem Wagen in die Menge fährt, dann sollte man nicht nur die Verwundeten pflegen und die Toten beerdigen, sondern auch den Fahrer überwältigen und ihn davon abhalten, noch mehr Leid zu verursachen."
Und dieses Beispiel könne man auf verschiedene Situationen in der Menschheitsgeschichte beziehen, zum Beispiel auf die des NS-Regimes oder auf die aktuelle Situation in der Ukraine. Deswegen sei politisches Engagement wichtig. "Die Kirche sollte politisch sein."
Copyright (c) 2023 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 31.01.2023