Dekan Schäfer hält Weihnachtsandacht in Großviehberg – Pfarrer Aupperle beendet den Reigen der Freiluftgottesdienste auf dem Hohenstein
"Allmächd!", schallt es aus der winzigen Fahrerkabine, "der Berg ist doch steiler, als gedacht!" "Nicht vom Himmel hoch, sondern vom drunt´ vom Tale komm' ich her!", verleiht denn Tobias Schäfer auch ganz zutreffend dem bekannten Weihnachtslied eine leichte Abwandlung. Rasch hängt er ein paar rote Kugeln über die Zweige des mobilen Christbaums: "Geschmückt wäre der nicht verkehrssicher gewesen!"
An die 60 große und kleine Gottesdienstbesucher aus Großviehberg und umliegenden Ortschaften haben sich einstweilen im Hof der Landmetzgerei Loos versammelt. Es nieselt und nebelt, die Finger der Posaunenchorbläser werden klamm und klammer.
Beirren lässt sich von der unweihnachtlichen Wetterlage niemand, im kleinen Glockenturm läutet es hell zum Beginn der Feierstunde. "Große Freude…!", hebt Tobias Schäfer zu seiner Ansprache an und wird schon unterbrochen. "Ja, weil heute noch das Christkind kommt!", fällt ihm der kleine Matthias voll hörbarer Vorfreude ins Wort. Schäfer stimmt zu: "Ja, der Heiland ist uns heute geboren. Gott wurde Mensch, um seiner Schöpfung nahe zu sein. Deshalb haben wir Grund zur Freude, auch und gerade in dieser Zeit voller Fragen und Sorgen."
Licht aus Bethlehem
Weil die äußeren Zeichen der weihnachtlichen Zeit helfen können, das Wunder der Weihnacht in unsere Häuser zu holen, habe er ein Mitbringsel aus Bethlehem dabei, kündigt Schäfer an und hebt eine Laterne von der Ladefläche des Transporters. Darin hat er eine ganz besondere Flamme gehütet: Das "Friedenslicht" wird in den Wochen vor Weihnachten in der Geburtskirche Jesu in Bethlehem an einer Kerze entzündet und sorgsam nach Wien geflogen. Von dort transportieren es Pfadfinder im Zug durch Europa und geben es an Bahnhöfen an andere weiter.
Die Flamme, die Dekan Schäfer in seiner Laterne mitgebracht hat, ist also ohne zu verlöschen von Bethlehem bis auf den Großviehberg gereist. "Wenn wir das Licht weitergeben, wird es heller, aber nicht weniger", betont er. Das Licht wandert nun von Hand zu Hand und entzündet eine der zuvor an die Gottesdienstbesucher ausgeteilten Kerze nach der anderen. Beim letzten Lied hütet dann jeder sein Licht vor den steifen Brisen, die ab und zu um die Hausecken ziehen.
Kaum ist der Segen gesprochen, wird ein Tisch aufgestellt, ein Korb mit Bauernseufzern aufgestellt und Stamperl für Stamperl mit Schlehenschnaps gefüllt. "Das ist bei uns in Großviehberg Tradition!", erklärt Hermann Loos. Die durchgefrorenen Gottesdienstakteure greifen gerne zu, bevor sie dem tuckernden "Dekanomobil" ins Tal zum Michelsberg folgen. Dort wird der zweite Gottesdienst abgehalten, beim dritten am Schlossplatz in Hersbruck ist es bereits dunkel.
Tradition ist auch, dass in der höchstgelegenen Siedlung der Gemeinde Kirchensittenbach die letzte Feier an Heiligabend stattfindet. Während vergangene Weihnacht um 21 Uhr niemand auf der Straße sein durfte, versammeln sich eine Stunde vor Mitternacht diesmal rund 30 Gläubige am Hohenstein. Nicht wie gewohnt in Kapelle und Burghof, sondern auf dem Parkplatz in der Dorfmitte am leuchtenden Christbaum. Wegen eines Streichs an der Lichterkette mussten Georg und Gertraud Maul vom Verschönerungsverein den gleich zweimal schmücken.
Der Nebel an diesem Heiligabend ist so dicht, dass die Stirn- und Taschenlampen der Festgemeinde und die Straßenlaternen farbige Lichtinseln bilden. Das beleuchtete Bäumchen oben auf der Burgmauer lässt sich nur erahnen.
Der letzte ist der fünfte
Für die Pfarrfamilie Aupperle ist dieser letzte Einsatz des Tages bereits der fünfte. Tochter Marike hat beim Krippenspiel als Ersatzengel hergehalten und beim Hauptgottesdienst die Orgel gespielt, ihr Bruder Timo hat sich um die Technik der Videoübertragung gekümmert und in Stöppach und Steinensittenbach mit geblasen. Und nun helfen alle mit, auch in Hohenstein die frohe Botschaft zu verkünden: Marike und Timo begleiten mit ihrem Vater als Trio den Gesang, Frau Aupperle verteilt Liedblätter und kümmert sich um die Kollekte.
Ekkehard Aupperle spricht vom großen "Trotzdem", das ihm nicht aus dem Sinn gehen will. "Eine Last hat sich auf unser Land, ja, auf die ganze Welt gelegt", stellt er fest. "Wie kann man da Freude verkünden? Eben Trotz-dem!" Die Situation der Heiligen Familie, geknebelt von einer starken Diktatur zur damaligen Zeit, war auch keine einfache, stellt Aupperle nach dem Verlesen der Weihnachtsgeschichte durch Marco Seidenfaden fest. Die biblische Botschaft soll auch heute mit Mut erfüllen. Gegen die Gefahr, sich im Schatten der Pandemie einzuigeln und immer schweigsamer zu werden, stellt Aupperle sein "Trotzdem!". "Wir dürfen das Weihnachtsfest mit Freude feiern! Die Botschaft der Heiligen Nacht ist es wert, auch 2021 zu erklingen."
Nach dem gemeinsam gesungenen "Stille Nacht" und vielen guten Wünschen geht die Festgemeinde auseinander. Ganz langsam verschluckt der Nebel die Lichter.
Copyright (c) 2021 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 27.12.2021