In der Regel wird sie zwei Mal in der Woche gespielt, die Orgel in der Spitalkirche. Bei der Orgelführung mit Heidi Brettschneider erklang sie ein weiteres Mal – und sogar mehr als das.
Von selbst wäre sie wohl nicht auf die Idee gekommen, verriet Dekanatskantorin Heidi Brettschneider. Als sie das Instrument einmal bei einem Gottesdienst außergewöhnlich gespielt und registriert habe, sagte Dietrich Kappler zu ihr: "So habe ich die Orgel noch nie gehört." Für ein Konzert müsste sie aber generalüberholt, gereinigt und neu intoniert werden, erzählte Brettschneider. Also einigten sie und Kappler sich auf die Orgelführung als Aktion der Spitalkirchenöffner.
Diese wollen, so Kappler, die "Kirche stärker ins Bewusstsein der Bürger und Besucher rücken". Und die Orgel sei eben ein Teil des historischen Baus. Sie wurde 1737 im Zuge der Barockisierung eingebaut, und zwar von Elias Hößler, einem bekannten Orgelerschaffer der Region, führte Kappler ins Thema ein.
Er sei ein Spätzünder in seinem Berufgewesen,fingerdocherstmit 27 Jahren an. Der Vogtländer kam wohl während seiner Wanderjahre ins Nürnberger Land – vermutlich wegen der vielen Orgeln und deren Erbauer, mutmaßte Brettschneider. Er heiratete die Tochter des Hersbrucker Kantors und erarbeitete sich über die Jahre dank der Qualität seiner Werke den Beinamen "fränkischer Silbermann", gab Brettschneider einen Einblick in Hößlers Leben.
Seine Orgeln seien an ihrem Prospekt, "dem Gesicht der Orgel", erkennbar. Brettschneider zeigte den Besuchern, die sich um das Instrument drängten, dass der halbrunde Mittelturm sowie die künstlerischen Schnitzereien typisch für Hößler seien.
Im Übrigen bestehe die Orgel noch zu 50 bis 60 Prozent aus Hößler-Originalteilen. Auch in das Innenleben, in das sie die neugierigen Männer und Frauen mitnahm. Dort fiel diesen sogleich das "Herzstück" auf, der Schwimmblasebalg. Dessen schwere Platte reguliere den Luftdruck. Betrieben werde er von einem Motor, erläuterte die Kantorin.
Und sie stellte gleich klar: "Die Orgel ist ein Blas- und kein Tasteninstrument, weil sie durch Wind zum Klingen gebracht wird." Genauer gesagt nicht sie, sondern die einzelnen Pfeifen in ihren verschiedenen Tonlagen. Das kleinste Exemplar sei nicht einmal einen Zentimeter groß, wusste Brettschneider zum Staunen der Besucher.
Sie alle seien im Hoch-Tief-Wechsel angebracht, das sorge für einen Stereo-Effekt. Jede Pfeifenfamilie mit ihrem Klangcharakter – "Gedeckelte" seien "weicher, leiser, flötiger" – stehe auf einem Windkasten. Der bekomme Luft, wenn man per Register die Schleiflade öffnet. Jede Pfeife habe zudem ein Zugventil, das sich über den Tasten- und Pedaldruck bedienen lasse. "Erstaunlich, wie leicht die Orgel zu spielen ist – trotz der Mechanik", fasste Brettschneider ihre Begeisterung und ihr enormes Wissen in Worte.
Faszinierend ging es weiter: Die Orgel könne dank der Register,mit deren Hilfe Klangfamilien mischbar seien, ein Orchester ersetzen. Das habe schon Bach gewusst und ein Vivaldi-Konzert für die Orgel transkribiert. Jedes Stück könne man aber nicht auf dem Instrument intonieren. Man müsse wissen, was zur jeweiligen Orgel passe – Stichworte: Zahl der Manuale, Windzufuhr.
Bei ihren Klangproben flogen die Finger nur so über die Tasten. Mit einem Pachelbel-Stück demonstrierte sie eindrucksvoll die gewaltige Klangfülle der Orgel: Erhabene Töne ergossen sich in die Kirche und hinaus in den Sommer.
(c)2019 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 03/07/2019