Claudia Brunner ist neu im Team der "Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit" der Diakonie Nürnberger Land — Breites Themenfeld
Wohngeld, Kinderzuschlag, Grundsicherung, kleine Rente, Trennung, Scheidung, Sucht, Teilhabepaket – die Themenfelder im Fachbereich "Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit" (Kasa) der Diakonie Nürnberger Land sind groß. Doch genau das reizt Claudia Brunner. Seit Anfang Juli ist die 42jährige Sozialpädagogin neu im Team.
Sie waren zuletzt fünf Jahrein der Fachstelle für pflegende Angehörige tätig. Warum der Wechsel?
Claudia Brunner: Ich hatte Lust, meinen Horizont zu erweitern und nicht nur schwerpunktmäßig Pflege als Thema zu haben. Es ist spannend, Leuten näher zu kommen, die Existenznot haben oder Lebenskrisen, und man sich fragt, wie helfe ich denen – egal ob bei Anträgen oder in Zusammenarbeit mit anderen Stellen. Der neue Job ist eine Art Lotsenfunktion für die Probleme im Alltag des Ratsuchenden.
Was vermissen Sie an Ihrer alten Arbeit?
Naja, noch bin ich da nicht ganz weg. Ich betreue die Alltagsbegleiter und einen begleiteten Urlaub in diesem Jahr. Aber der Gesprächskreis mit pflegenden Angehörigen fehlt mir. Da kam viel Lebenserfahrung rüber, das war ein großer Schatz. Aber ich weiß, dass die Stelle bestens besetzt ist, und das macht es leichter. Und das Thema an sich taucht auch hier ab und an auf.
Sie sind seit Juli neu in einem Team.
Ja, die "Kasa" ist zuständig für die soziale Beratung in den Dekanaten des Einzugsbereichs des zuständigen diakonischen Werkes. Also in den Dekanaten Altdorf, Hersbruck und Neumarkt. Ich bin zuständig für das Dekanat Hersbruck und die Kollegen für die beiden anderen Dekanate. Dass die Dekanatsgrenzen nicht deckungsgleich mit den Landkreisen sind, musste ich auch erst lernen. Zum Hersbrucker Team gehören auch Iris Lippert-Harder von der psychosozialen Beratungsstelle Krebspunkt und Sonja Hollederer-Grötsch, die uns im Hintergrund unterstützt und die für die Kur-und Erholungsberatung zuständig ist.
Was sind Ihre Aufgaben?
Einfach gesagt, bin ich eine Art Hausarzt für viele spannende soziale Themen. Die Leute kommen zu mir, um erst einmal herauszufinden, wo sie hin müssen, wo die Probleme liegen.Und das muss zeitnah passieren, weil die Menschen unter einem Wahnsinnsdruck stehen. Ich strukturiere mit den Personen die Fakten, prüfe Finanzielles oder vermittle weiter an andere Fachberatungsstellen.
Das heißt, ich stelle den ersten Kontakt zu anderen Stellen her, dann ist es für die Ratsuchenden meistens leichter, wirklich hinzugehen. Gemeinsam mit ihnen erstelle ich eineArt Hilfeplanung,was bis zum nächsten Termin gemacht werden muss. Wenn das nicht geklappt hat, ermitteln wir den Grund. Denn es geht darum, dass die Menschen selbst aktiv werden und dadurch Erfolgserlebnisse haben, weil sonst neigen sie dazu,sich bedienen zu lassen.
"Kasa" ist ein etwas sperriger Begriff. Was muss man sich darunter vorstellen?
Er bedeutet ja kirchliche allgemeine Sozialarbeit, das heißt es ist die erste Anlaufstelle für Menschen mit allen möglichen sozialen Problemen, von Trennung über finanzielle Engpässe bis hin zu Sorgen um Kinder, Familie oder Angehörige sowie Querelen mit Behörden. Insgesamt 130 Kasa-Mitarbeiter in Bayern bilden diese niederschwellige Info- und Beratungsstelle – meist für Multi-Problemlagen. Neben der Beratung – die kostenlos ist und für die Schweigepflicht gilt – gehört dazu, Projekte zu unterstützen. Ich bin verantwortlich für "Nachbarn werden" und das Energiesparprojekt. Auf diese Weise sind wir auch sozialpolitisch aktiv und es ergeben sich immer wieder Synergieeffekte, wenn ein Klient eine Leih-Oma oder einen Energieberater braucht.
Da braucht man aber viel unterschiedliches Wissen, zumal nicht jeder Fall gleich sein wird.
Manches ähnelt sich, da kann man Rückschlüsse ziehen, aber genau gleich ist es nie. Das macht die Arbeit aber spannend. Und wenn ich unsicher bin, kann ich bei Kollegen nachfragen oder in rechtlichen Dingen den Kasa-Anwalt zu Rate ziehen. Aber Voraussetzung für die Stelle ist, dass man eine begleitende Ausbildung in Etappen absolviert. Da werden dann spezielle Bereiche vertieft, es gibt Tagesfortbildungen und Infos zur aktuellen Rechtslage.
Sie sind ausgebildete Diakonin. Wie hilft Ihnen das bei Ihrer Aufgabe?
Ich sehe mich da als Sozialarbeiterin und Verkünderin von Gottes Wort. Die Grundlage für meine Arbeit entspricht der Geschichte des barmherzigen Samariters: Er sieht eine Notlage, hilft und überprüft die Hilfe hinterher. Auch das liebevolle Gegenübertreten, dass man keinen in eine Schublade einsortiert und jeder das Recht auf einen Neustart verdient, leite ich für mich daraus ab.
Ihre Klienten werden sicher sehr verschieden sein.
Einige machen sich im Vorfeld Gedanken und kommen mit konkreten Anfragen, ob sie da auf dem richtigen Weg sind. Das sind vor allem Jüngere. Die meisten stecken in einem Loch und wissen nicht, was zu tun ist, weil sie den Überblick verloren haben. Diese müssen lernen, sich zu öffnen und Probleme zu definieren. Und wieder andere kommen zu mir, weil andere es wollen. Das ist meist eine einmalige Sache. Schön ist aber, wenn es am Schluss positive Rückmeldungen gibt und ein Problem gemeinsam gelöst werden konnte.
Wann sind Ihre Grenzen erreicht?
Wenn beispielsweise die Schuldenlast zu groß ist und derjenige nicht mehr weiß, bei wem und wie hoch die Forderungen sind. Da vermittle ich weiter. Auch wenn ein Thema – beispielsweise Sucht – alles überlagert. Dann muss er das erst lösen. Und ich bin auch keine Psychologin.
Wie können Sie das Gehörte verarbeiten?
Wir unterstützen uns zum Beispiel in Teamsitzungen gegenseitig oder telefonieren mit Kollegen. Ein "das kenn ich auch" reicht oft schon. Wichtig ist, dass wir uns da im geschützten Raum äußern und daher keine Einzelkämpfer sind.
Interview: Andrea Pitsch
Copyright (c) 2018 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 14.09.2018