Kirchenmusikdirektor Gerd Kötter gab im Selneckerhaus Einblicke in die dramatischen letzten Lebensjahre des begnadeten Komponisten.
Im Vorfeld zur Aufführung des Requiems von Wolfgang Amadeus Mozart durch die Selneckerkantorei, Vokalsolisten und Orchester unter Leitung von Dekanatskantorin Heidi Brettschneiders Leitung am Sonntag, 7. April, 19 Uhr in der Stadtkirche Hersbruck, hielt Gerd Kötter mit viel Insiderwissen, spannend und in lebendiger Erzählweise einen gut besuchten Einführungsvortrag.
Er entführte die Zuhörer in die "Komponierwerkstatt" des 35-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart kurz vor dessen Tod. Anhand von bewegenden Briefzitaten und überraschenden Einblicken in die nüchterne Arbeitsweise beleuchtete Kötter die dramatische Geschichte der Entstehung und Veröffentlichung des von Legenden umgebenen letzten Werkes: Im Juli 1791 – Mozarts letztem Lebensjahr – erscheint ein Bote und gibt bei Mozart eine Totenmesse in Auftrag. Der Komponist ist zwar in dieser Zeit sehr beschäftigt, braucht aber gerade dringend das fürstliche Honorar und nimmt den Auftrag an.
Vom eigenen Tod gewusst?
Die Zeit zum Schreiben der Totenmesse wurde knapp. Mozart war 1791 erst 35 Jahre alt. Trotzdem, so will es die Geschichte, empfand er den Auftrag als eine Prophezeiung des eigenen baldigen Endes. In der Tat nahmen die Kräfte des begnadeten Komponisten in diesem Jahr rapide ab.
Alseram5.Dezember1791 starb, hinterließ er seiner Frau und seinen beiden Söhnen, dem siebenjährigen Carl Thomas und dem sechs Monate alten Franz Xaver, einen riesigen Berg von Schulden – man spricht von zirka 3000 Gulden – und das unfertige Requiem.
Die Witwe musste sich etwas einfallen lassen. In den nächsten Monaten versuchten sich auf Constanzes Bitten mehrere angesehene Komponisten aus dem Bekanntenkreis an der Vollendung des Werkes. Schließlich war es ein Schüler Mozarts – der 25-jährige Franz Xaver Süßmayr –, der die Partitur unter Zeitdruck Ende Februar 1792 fertigstellte und auf das Titelblatt sogar die Unterschrift Mozarts setzte.
Pikanterweise schrieb der ursprüngliche Auftraggeber und Empfänger der fertigen Partitur, Franz von Walsegg, diese ab und setzte seinen eigenen Namen als Autor darauf. Ein Etikettenschwindel, der bis heute anhält. Denn oft heißt es nur "Mozarts Requiem", obwohl es heißen müsste "Requiem-Fragment". Und das Requiem gehört nach seiner Vervollständigung durch Süßmayr zu den am meisten aufgeführten Kirchenmusikwerken überhaupt. Mozart soll schon als Kind ganze Partituren nach einmaligem Hören wiedergegeben haben.
Begräbnis dritter Klasse
Als der Komponist starb, wurde sein Sarg in einem Schachtgrab gemeinsam mit fünf anderen beigesetzt – ein Begräbnis dritter Klasse, ohne Musik, ohne Blumen und sogar ohne Grabstein. Dafür gab es dann ja die mit seiner eigenen Musik reich ausgestattete "Seelenmesse".
In Zeiten mit gutem Einkommen lebten die Mozarts in sehr gehobenen Verhältnissen mit großem Hang zum Luxus. Constanze Mozart verwaltete nach dem Tod ihres Mannes sein Erbe. Als nach 1800 seine großen Werke gedruckt wurden, verdiente sie am Urheberrecht ein Vermögen. Sie starb im Alter von 78 Jahren.
Krimi in der Bibliothek
Zum Abschluss seines Vortrages präsentierte Gerd Kötter mit der Lesung des von ihm geschriebenen Kurzkrimis zum Mozartrequiem ein besonderes Schmankerl. Währenddessen war es mucksmäuschenstill im Saal des Selneckerhauses. Eine gespannte Ruhe, wie sie durchaus zu mitternächtlicher Stunde in der Wiener Staatsbibliothek des 18. Jahrhunderts vorstellbar ist. Dorthin nämlich verlegteder Autor seinen "Tatort" und bescherte den Besuchern Gänsehaut mit einer guten Portion Augenzwinkern.
Gestenreich und spannend schilderte Kötter die Ereignisse. Der damalige Bibliotheksinspektor Felix Mayerhofer steht im Mittelpunkt der geheimnisvollen und mysteriösen Begebenheiten. In manchen Passagen beschreibt der Kirchenmusiker Details von Orten, Personen und Handlungsabläufen aus dem Jahr 1791 so genau, dass es dem Publikum schwerfiel, zwischen historischen Fakten und Fantasie des Krimischreibers zu unterscheiden.
Als er allerdings seinen Protagonisten aus dem Jahr 1791, Mayerhofer, eine gruselige SMS auf dem Handy empfangen ließ, mussten die Zuhörer doch schmunzeln. Insgesamt präsentierte der Vollblutmusiker und Hobbyautor den Besuchern höchst interessante und kurzweilig vorgetragene Einblicke, insbesondere in Mozarts letztes Lebensjahr.
HELMUT NEITZ
Copyright (c) 2019 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 05.03.2019