"Die Hersbrucker hängen an dieser Skulptur"

2018-06-18_Oelberg1
Bildrechte Ute Scharrer (Hersbrucker Zeitung)

Die Restaurierungsarbeiten an der "Ölberggruppe" der Hersbrucker Stadtkirche sind abgeschlossen – Hohe Spendenbereitschaft unter Bürgern

Die Amsel, die ganz oben im Felsen der "Ölberggruppe" nistet, rastet ab und zu auch im Kelch, vor dem der steinerne Jesus betet. Zum Ortstermin an der Stadtkirche ließ sie sich nicht blicken. Dafür aber alle Beteiligten, die gemeinsam dafür gesorgt haben, dass das Schmuckstück an der Außenwand des Chors wieder für die nächsten Jahre an der frischen Luft gerüstet ist.

Eine "Ölberggruppe" stellt figürlich die biblische Szene dar, in der Jesus zusammen mit seinen Jüngern in der Nacht vor seiner Kreuzigungbetet.DerGarten Gethsemane am Ölberg, der historischen Begräbnisstätte vieler gläubiger Juden, ist der Ort des Geschehens. Im späten Mittelalter waren "Ölberggruppen" an vielen Kirchen zu finden, in den 1950er Jahren wurden die meisten der oft volkstümlichen Bildwerke entfernt. Heute erfahren sie neue Wertschätzung.

Hersbrucks "Ölberggruppe" zeigt die Jünger Jakobus, Johannes und Petrus, die trotz ihres Versprechens, mit Jesus wach zu bleiben, eingenickt sind. Jesus selbst kniet vor einem geformten Felsen, auf dem ein Kelch steht. Über der lebendig gestalteten und mit ausdrucksvollen Gesichtern versehenen Figurengruppe"schwebt" ein Engel, der das Kreuz hält, das das irdische Ende Jesu vorwegnimmt (kleines Bild).

Im Hintergrund kann man auf einer Grisaille-Malerei (Malerei in Grautönen) römische Soldaten mit reich verzierten Rüstungen sehen. Sie werden laut Evangelien bald in Aktion treten. Die Malerei stammt von Johann Georg Rögeler, von dem sich auch im Innenraum der Kirche Arbeiten finden. Sie wurde 1827 angebracht, während die Figuren eher der Renaissance und somit dem 15./16.Jahrhundertzuzuschreiben sind. Hersbrucks "Ölberggruppe" hat allen Jahreszeiten und geschichtlichen Wandlungen getrotzt, auch dank immer wieder vorgenommener Restaurierungsarbeiten. Die letzte wurde im Herbst begonnen und nach den Frösten fortgesetzt. Der im April 2016 gegründete Kirchbauverein hat die Reinigung und Wiederherstellung angestoßen und mitfinanziert, das Landesamt für Denkmalpflege hat etwas beigesteuert und in Person von Christoph Sabatzki das Projekt begleitet. Auch die Landeskirche zahlte mit – und es gingen Spenden in erklecklicher Höhe ein. "Denn", so Pfarrer Thomas Lichteneber, "die Hersbrucker hängen an dieser Skulptur!" Ältere Gemeindeglieder äußern ihm gegenüber ihre große Freude,dass sie"das noch erleben dürfen".

Deswegen drücken auch immerwieder Neugierige die Gesichter an den Bauzaun. Können die denn auch erkennen, was Silas Ploner und Clemens Muth in ihrer monatelangen, immer wieder von Wartezeiten durchbrochenen Arbeitszeit erreicht haben? Der junge Restaurator aus Berlin und der etwas ältere Restaurator aus Ebensfeld bei Bad Staffelstein haben schon mehrere Projekte gemeinsam gestemmt und sind sich mit Denkmalpfleger Christoph Sabatzki einig: "Wenn Sie nichts sehen können, haben wir unsere Arbeitgut gemacht."

Hochglanz ist passé

Es gab schon andere Strömungen in der Geschichte der Denkmalpflege, aber heutzutage wird nicht mehr auf Hochglanz poliert, bunt angemalt oder "farbig gefasst", wie Denkmalpfleger sagen würden. Statt dessen wurde behutsam Schmutz entfernt, teilweise mit dem Pinsel und unter anderem der gelbe, klebrige Rapspollen, der im Frühjahr seinen Weg bis in die Nischen der Stadtkirche gefunden hat.

"Es ist wie bei dem Gesicht eines alten Menschen", erklärt Clemens Muth, "die Lebensspuren darf man ruhig sehen. Wir sichern den Bestand und machen nicht alles wie neu." Und so kann der aufmerksame Beobachter bei der Renaissance- Figurengruppe Spuren der bleiweißen Grundierung unter dem Inkarnat, der Hautfarbe, entdecken und Reste einer Vergoldung erahnen, etwa am Kelch, von dem Jesus betet, er möge an ihmvorübergehen. Die Schichten unterschiedlicher polychromer Fassungen sind ebenso sichtbar wiedieSpuren,die die Witterung hinterlassen hat. Letzterer wurde nun allerdings mit einem um einen halben Meter vorgezogenen Dach ein Riegel vorgeschoben. Direkter Regen und Schnee sollte nun nicht mehr auf die Figurengruppe fallen.

Die deutlichste Maßnahme mit Vorher-Nachher-Effekt ist wohl eine Hohlstelle in der Rückwand, die den Putz bröckeln ließ. Dort wurde behutsam Füllmaterial "injiziert" und die Malerei wiederhergestellt. Nun wird noch über die Wiederanbringung des Gitters beratschlagt, das einerseits Schutz bietet und andererseits den Blick hindert. Laut nachgedacht wird zudemübereinen Pflegevertrag,so dass der erreichte Zustand auch so bleibt.

Eines aber steht fest: Die nistende Amsel darf bleiben und wenn die Jünger schlafen, leistet sie dem betenden Jesus Gesellschaft.

Fotos:

Links: Schlafen, obwohl sie versprochen haben, mit Jesus zu wachen: Jakobus, Johannes und Petrus kauern schlummernd am Boden, Jesus betet im Hintergrund.

Rechts: Trafen sich zum Abschluss der Restaurierungsarbeiten an der "Ölberggruppe" der Stadtkirche Hersbruck: Restaurator Silas Ploner, Christoph Sabatzki vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Dietrich Kappler, Vorsitzender des Kirchbauvereins, Restaurator Clemens Muth und Gemeindepfarrer Thomas Lichteneber (von links).

UTE SCHARRER

Copyright (c) 2018 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 18.06.2018