Selneckerkantorei bot in atemberaubender Klangfülle Bach-Kantate und Mozart-Requiem dar – Musik als Stütze der Ökumene
Mit anhaltendem Beifall quittierten die Hörer in der gut gefüllten Stadtkirche das zweite große Konzert der Selneckerkantorei unter der Leitung von Dekanatskantorin Heidi Brettschneider. Sie hatte sich an zwei Klassik-Größen gewagt.
Brettschneider hatte dem Hauptwerk des Abends, dem "Requiem" von Wolfgang Amadeus Mozart, eine Bußkantate von Johann Sebastian Bach vorangestellt: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir". Bach teilt dafür den Text des 130. Psalms in fünf Abschnitte, drei sind dem Chor vorbehalten. An zweiter und vierter Stelle stehen Soloarien für Bass und Tenor, die Bach aber durch Einfügen einer Choralstrophe mit Sopran und Alt zu Duetten erweitert.
Die Kantorei erfüllte ihre Aufgabe äußerst gründlich: Neben bester Intonation erfreute die hervorragende Textverständlichkeit. Daneben war noch Platz für rhythmisch federnde Polyphonie, atmosphärischen Adagio-Atem und dynamische Finessen. Dieser ganzen inneren Bewegtheit stand der geradezu abgeklärte Gesang der Solisten Kristina Scherer (Sopran), Yeeun Kim (Alt), Maximilian Vogt (Tenor) und Tobias Freund (Bass) gegenüber. Mit stimmlicher Schönheit und technischem Können übten sie persönliche Zurückhaltung und stellten die textliche Aussage überzeugend in den Vordergrund.
Wenn auch eine protestantische Bußkantate und eine katholische Totenmesse theologisch nicht gerade in engster Nachbarschaft zu finden sind, so bietet die Musik dagegen einen bedeutenden Anknüpfungspunkt: Der barocke Kontrapunkt behält in der Kirchenmusik seinen Platz. So war es auch für Mozart selbstverständlich, den vorgegebenen lateinischen Text des Requiems in dieser Tradition zu vertonen.
Und mit einem Kunstgriff verband Kantorin Brettschneider die beiden Werke nahtlos: Nur wenige Sekunden Stille trennten den tröstlichen G-Dur-Schluss der Kantate vom geheimnisvollen d-Moll-Beginn des Requiems.
Um die Entstehung dieses Werks ranken sich Legenden. Fest steht, dass es sich um einen gut dotierten Auftrag handelte. Mozart konnte die Anzahlung gut gebrauchen und sagte zu, obwohl er gleichzeitig an der "Zauberflöte", an "Titus" und einer Freimaurer-Kantate zu arbeiten hatte. Krankheit und Tod verhinderten dann die Vollendung des Auftrags. Sein Schüler Franz Xaver Süßmayr übernahm die Vervollständigung. Diese Fassung ist, trotz weiterer Ergänzungsversuche, die gängigste geblieben. Bassetthörner, Fagotte, Trompeten, Posaunen, Pauken und Orgel-Continuo zu den Streichern sorgen für einen weichen, dunklen Klang. Mozart verbindet liturgische Konvention mit subjektiver Emotionalität. Es entsteht ein Werk von tiefernster Feierlichkeit, die das Ensemble kompetent umzusetzen wusste.
Kantorin Brettschneider wählte zügige Tempi, die Kantorei sang präsentund diszipliniert, das Solistenquartett leuchtete, die Orchestergemeinschaft Hersbruck, vorbereitet von Konzertmeisterin Jeanne Vogt, musste sich nicht verstecken. Selbst der (Alp)Traum aller Posaunisten, das "Tuba mirum", gelang souverän.
Wenn man etwas bemängeln wollte, dann die pure Lautstärke des Chores, der in seiner großen Besetzung das wunderbar transparent spielende Orchester manchmal klanglich überschwemmte. Ansonsten: Ein ergreifendes Konzert.
SUSANNE PFLAUMER
Copyright (c) 2019 Verlag Nürnberger Presse, Ausgabe 10.04.2019